Interview mit Sabine Mayer-Bolte, HP für Psychotherapie, Biberach

Über diese Frage musste ich eine Weile nachdenken und dann wurde mir bewusst, dass ich mir selbst regelmäßig Stunden schenke. Ich war vor einiger Zeit nah dran in ein Erschöpfungssyndrom zu geraten. Seither sorge ich besser für mich und plane nicht nur Termine in meinem Kalender für Klienten, sondern auch für mich. Da steht dann der Termin HFZ, eine Abkürzung für Heilige Freizeit. In dieser Zeit erledige ich keine Verpflichtungen, sondern mache das auf was ich Lust habe, wie spazieren gehen mit meiner Hündin, Lesen, ein neues Kochrezept ausprobieren, Musik hören oder einfach nur im Garten liegen und die Wolken am Himmel beobachten.

Schon während meiner Schulzeit wollte ich einen Beruf ausüben, der mit der menschlichen Gesundheit zu tun hat. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch und experimentiere gerne. So bin ich in der pharmazeutischen Forschung gelandet und arbeitete in der Entwicklung in den Bereichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen. Herzinfarkt, Arterissklerose, erhöhter Cholesterinspiegel, Typ2-Diabetis waren die Forschungsbereiche, alles heutige Zivilisationskrankheiten. Mit der Zeit wurde ich immer unzufriedener, denn meiner Ansicht nach reicht es nicht, einfach nur ein Medikament zu nehmen, ohne an den Ursachen etwas zu verändern. So begann ich nebenberuflich weitere Ausbildungen. Sebastian Kneipp faszinierte mich mit seinem ganzheitlichen Gesundheitskonzept unserer Kultur und ich absolvierte an der Sebastian Kneipp Akademie die Gesundheitspädagogen-Ausbildung. Einer seiner Bereiche ist die sogenannte Lebensordnung, auf die ich meinen Schwerpunkt legte. Es folgte eine Coaching-Ausbildung und danach spezialisierte ich mich als Heilpraktikerin für Psychotherapie. Eine gewisse Zeit arbeitete ich in der Forschung und parallel dazu in eigener Praxis. Aber irgendwann musste ich mich entscheiden, da beides zeitlich nicht mehr vereinbar war. Inzwischen arbeite ich seit über zehn Jahren Vollzeit in meiner Praxis.

Für mich ist ein kollegialer Austausch sehr wichtig. Manchmal steckt man in seiner Arbeit fest und gerade da sind Impulse von jemandem, der nicht direkt involviert ist, sehr wichtig. Außerdem kann ich auf menschlicher Ebene nicht zu allen Klienten passen. Deshalb schätze ich es sehr, dass mein Kollege zum einen ein Mann ist, daher eine andere Lebenserfahrung mitbringt und er auch teilweise mit anderen Methoden arbeitet. Wir tauschen uns aus und wir ergänzen uns. Für Klienten kann dies sehr bereichernd sein.

Psychische Probleme wirken sich oft körperlich aus und körperliche Probleme machen sich auch psychisch bemerkbar. Eine ganzheitliche Behandlung bringt oft die besten Erfolge. Ich schätze es sehr, dass ich meine Patienten an Dich zur diagnostischen Abklärung und Behandlung weiterverweisen kann. Mit Deiner feinfühligen Art hast Du auch schon wichtige Impulse zum Nachdenken meinen Patienten mitgegeben, die wir im Anschluss in der psychotherapeutischen Arbeit vertiefen und bearbeiten können.

Häufig erlebe ich, dass Patienten verzweifelt versuchen, einen Therapieplatz bei einem kassenzugelassenen Psychotherapeuten zu bekommen. Leider übernehmen gesetzliche Krankenkassen die Kosten bei einem Heilpraktiker für Psychotherapie nicht mehr. In einer akuten psychischen Krise werden dann oft Psychopharmaka verschrieben, um die Symptome zu unterdrücken und die Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz zu überbrücken. Diese Misere erlebe ich ständig bei mir in der Praxis. Meiner Erfahrung nach, kann im akuten Fall sehr schnell geholfen werden. Oft verbessert sich der Zustand schon nach wenigen Sitzungen. Dadurch wird ein langer Leidensweg verhindert. Ich habe inzwischen immer wieder Arbeitgeber, welche die Kosten für die Behandlung ihrer Mitarbeiter bei mir übernehmen. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass dadurch längere Krankheitsausfälle vermieden werden können.

Tja, was mache ich in zehn Jahren? Die Frage stelle ich mir zurzeit selbst öfter. In der Biographiearbeit beginnt in meinem Alter der letzte Lebensabschnitt und trägt den Titel Neubeginn. Ich glaube er wird mir sehr viel Freiheit bescheren, die Kinder sind groß, Haus ist abbezahlt und in zehn Jahren habe ich Rentenanspruch, das heißt ich muss nicht einmal mehr arbeiten um Geld zu verdienen. Für mich ist mein Beruf eine Berufung und psychotherapeutisch kann man bis ins hohe Alter tätig sein, solange man nicht die Anliegen der Patienten wegen Demenz nach fünf Minuten wieder vergisst. Privat träume ich von einem VW-Bus mit dem ich einfach unterwegs sein kann und viel Zeit in der Natur verbringe. Beruflich reizt mich noch die systemische Aufstellungsarbeit. Vielleicht bilde ich mich in diesem Bereich noch weiter. Und ich schreibe sehr gerne. Bisher fehlt mir dazu jedoch oft die Zeit. Wer weiß, vielleicht entsteht dann doch noch ein Buch.