Interview mit Katharina Sust, Sportwissenschaftlerin und Klipp-und-Klar-Lerntrainerin in Ravensburg
Was würdest du tun, wenn ich dir 1h Zeit schenken würde?
Dann würde ich am liebsten bei Sonnenschein auf „meiner“ Ostfrieseninsel Juist in einem Strandkorb sitzen, ein gutes Buch in der einen Hand und einen Rosinenstuten in der anderen … ab und zu würde ich hochschauen und meinen beiden Kindern beim Baden in der Nordsee zuschauen … wie schön!
Kaja, Du hast Sportwissenschaften studiert. Was hat dich an diesem Studienfach interessiert?
Wenn ich zurückblicke, war mein ganzes Leben von viel sportlicher Bewegung geprägt. Schon als Kind war ich gerne in Turnhallen und auf Sportplätzen unterwegs; ich habe ausgiebig Kunstturnen betrieben, Tennis gespielt, war gerne in meiner Heimat – der Rhön – klettern und habe es genossen, mich an meine körperlichen Grenzen zu bringen. Das Gefühl, völlig ausgepowert zu sein und dennoch Stärke und Glück zu spüren, hat mich fest in seinen Bann gezogen.
Eigentlich wollte ich nach meinem Abitur Sonderpädagogik mit Schwerpunkt Kunst- oder Musiktherapie in Bremen studieren. Doch ich hatte einen schlechten Studienberater, der es übersehen hatte, dass dieser Studiengang geschlossen wurde. So wurde dann aus meinem geliebten Hobby doch ein Beruf.
Von Anfang an war klar, dass es in die therapeutische Richtung gehen sollte … und so habe ich mich für den Studienschwerpunkt Gesundheitssport entschieden. Hier haben mich vor allem die vielfältigen Möglichkeiten interessiert, sowohl präventiv als auch rehabilitativ arbeiten zu können.
Wie kamst du vom Sport zur Lerntherapie „Klipp und Klar“?
„Bewegung – das Tor zum Lernen“ … dies ist nicht nur ein Titel eines für mich sehr wichtigen Buches von Carla Hannaford, sondern im Laufe der vergangenen Jahre auch Lebensmotto und berufliche Grundlage geworden.
Bewegung und Lernen lassen sich nicht trennen, sondern sind untrennbar miteinander verwoben. Mein Blick dafür hat sich in den ambulanten Adipositasschulungen für Kinder und Jugendliche verändert, die ich einige Jahre in Ravensburg begleiten durfte.
Hier habe ich erleben dürfen, wie eine andere Körperhaltung das Wesen der Kinder positiv verändert hat. Die direkte Rückmeldung der Kinder ist vor allem ausschlaggebend dafür gewesen, diese Arbeit als Herzblutarbeit bezeichnen zu können.
Ich bin sehr dankbar, dass ich Kinder mit Lernproblemen zu dir schicken kann. Dies ergänzt die homöopathische Therapie sehr konkret und praktisch und kann viel Frustration der Patienten verhindern. Wie erlebst du die Zusammenarbeit?
Liebe Andrea, ich freue mich jedes Mal, wenn sich Eltern melden, denen du eine Empfehlung ausgesprochen hast. Ich habe das gute Gefühl, dass für uns beide das Kind als Persönlichkeit im Vordergrund steht. Dieses gilt es wahrzunehmen und in seinen gegebenen Anlagen zu stärken. Genauso facettenreich sehe ich die unterstützenden Maßnahmen, die nachher ein Ganzes ergeben können, um auch dem Kind in seiner „Ganzheitlichkeit“ gerecht zu werden.
Welche Probleme siehst du im Bereich der Therapie von Schul- und Lernschwierigkeiten. Was würdest du dir wünschen? Von welchen Maßnahmen würden, aus deiner Sicht, diese Kinder profitieren?
Danke für diese Frage. Das große Problem besteht auf der einen Seite im Übersehen von Schwierigkeiten bzw. einer mangelnden Kommunikation zwischen Eltern und Pädagogen und auf der anderen Seite aus einer Überdiagnostik, deren Anschlusstherapie aber häufig nicht zielgerichtet verläuft. Ich würde mir einen offenen und vor allem unbürokratischen Austausch zwischen Eltern und Pädagogen wünschen und im Falle einer Therapie ein wirklich gute Vernetzung der betroffenen Personen untereinander.
Die Eltern stehen mit Diagnosen wie Dyskalkulie, Legasthenie oder ADS/ADHS nicht selten ratlos vor mir … Diagnosen sind nicht immer in Stein gemeißelte lebensbegleitende Probleme, sondern gehören an den Ursachen gepackt. Statt Symptombekämpfung sollte eine aktive Arbeit an den Ursachen im Vordergrund stehen.
Wie wäre die Antwort auf meine Einstiegsfrage, was du tun würdest, wenn ich dir 1h Zeit schenken würde, wenn ich sie dir 10 Jahre später stellen würde. Was hast du noch vor?
In 10 Jahren würde ich gerne ganz bewusst mit meinem Mann in dem gleichen Strandkorb, an gleicher Stelle sitzen. Ich würde mit ihm zurückblicken und mich daran freuen, dass wir es geschafft haben, unser Leben im Gleichgewicht zwischen Beruf, Berufung und Familie zu finden.
Ich würde gerne eine Gemeinschaftspraxis mit anderen Lerntherapeuten/Innen eröffnen, um Zentrum bzw. Ansprechpartner für Entwicklungs- und Lernförderung zu werden.
Das Interview führte Andrea Strasser.