Andrea Strasser vereint in ihrer eigenen Praxis das Beste aus Schulmedizin und Homöopathie. Ihre Vision ist es, dass dieser Ansatz Verbreitung findet, indem Ärzte und kompetente Alternativmediziner ihr fundiertes Wissen im Sinne der Patienten miteinander teilen.
Liebe Andrea, du warst lange in der Intensivmedizin tätig und bist dann Homöopathin geworden. Es gibt durchaus Konflikte zwischen Schulmedizin und Alternativmedizin. Bedeutet das, du hast die Seiten gewechselt?
Nein, überhaupt nicht. Ich verbinde das Beste aus beiden Welten für meine Patienten. Die Schulmedizin ist ein sehr wichtiger Bestandteil von unserem Gesundheitssystem – genauso wie Richtungen, die sie ergänzen. Ich sage daher am liebsten Komplementärmedizin.
Welche Probleme bringen Patienten mit, die nach einem langen schulmedizinischen Weg zu dir kommen?
Bei chronischen Leiden gibt es in der Schulmedizin oft nur den Weg der Dauermedikation. Viele kommen mit Nebenwirkungen und chemisch unterdrückten Symptomen zu mir. Da hat die Komplementärmedizin deutlich mehr zu bieten. Viele Hausärzte sind überlastet und es fehlt meist die Zeit für Erklärungen. Darum sind viele Patienten haltlos, haben etliche Befunde und wissen trotzdem nicht, was los ist. Diesen Überblick kann ich bieten und aus dem ganzheitlichen Bild von einem Menschen den Heilungsweg beschreiten. Stets unter Einbezug der jeweiligen Fachärzte und ihrer Befunde.
Du arbeitest mit Schulmedizinern zusammen?
Genau. Ich bin froh, wenn ich z.B. ein Schilddrüsen-Problem vermute und direkt einen Experten aus der Endokrinologie oder Radiologie weiß, wohin ich weiterleiten kann, damit die Diagnose exakt geklärt wird. Ist da ein heißer Knoten, ein kalter Knoten, eine Über- oder Unterfunktion, Hashimoto? Das ist für die Wahl des homöopathischen Mittels ein bedeutender Unterschied. Und das kann am besten ein Facharzt bestimmen.
Welche Vorteile haben Ärzte durch die Zusammenarbeit mit dir?
Jede Disziplin hat ihre Kernkompetenzen. Die der Schulmedizin liegen in der Diagnostik, Akutmedizin und Chirurgie. In der Behandlung chronischer Erkrankungen und in der Prophylaxe hat die Homöopathie die Nase vorn. Beides zusammen ergibt das Beste für die Patienten!
Wie kann es gelingen, Ärzte und Komplementärmediziner zusammenzubringen?
Das Bewusstsein in der Bevölkerung wächst. Und wenn die Nachfrage steigt, öffnen sich immer mehr Ärzte und Therapeuten dafür. Deshalb entsteht gerade auch mein Projekt. Ich baue ein Netzwerk aus wirklich guten Ärzten und Therapeuten verschiedener Disziplinen auf, in welchem wir für die Patienten zusammenarbeiten.
Ein Netzwerk, in dem man sich gegenseitig vertraut und empfielt?
Jeder im Netzwerk soll wissen: wenn es etwas gibt, was nicht meine Kernkompetenz ist oder wofür mir die Zeit fehlt, kenne ich eine kompetente Person, zu der ich die Patienten schicken kann. Endokrinologen, Psychologen, Heilpraktiker, Homöopathen….
Findet pro Patient ein Austausch zwischen dir und dem jeweiligen Facharzt statt?
Das wäre mein Wunsch. Bislang mache ich damit schon gute Erfahrungen, aber die Idee ist ein bisschen mehr als der klassische Überweisungsschein, aus dem hervorgeht, was der Patient hat. Ich denke an jährliche Netzwerktreffen in einem Hotel mit Impulsvorträgen und Gesprächen. Wenn man einander kennt und weiß, wo man den Patienten hinschickt, hat man keine Scheu, auch mal den Hörer in die Hand zu nehmen und sich über Patienten zu besprechen. Die Therapie bekommt eine ganz andere Tiefe und Qualität!
Das macht es auch für Patienten angenehmer!
Absolut. Wenn ich als Patientin weiß, die Empfehlung ist von meiner kompetenten Homöopathin oder meinem Facharzt, bei dem ich mich sicher fühle, gehe ich mit einem ganz anderen Vertrauen los, als mit dem Glücksspiel über Google oder die Gelben Seiten. Und dann kommt der positiven Behandlungsverlauf durch die ganzheitliche, vereinte Herangehensweise.
Warum schöpfen Schul- und Alternativmedizin diese Win-Win-Situation bislang nicht aus?
Viel Standesdünkel. Die Ärztekammer will nicht, dass Ärzte mit Heilpraktikern oder Homöopathen zusammenarbeiten. Aber auch Homöopathen die grundsätzlich von ärztlichen Kollegen die Meinung haben, dass sie sie ablehnen. Ich tue es trotzdem – sehr erfolgreich – mit vielen Ärzten und Kolleginnen. Es gibt viele Vorurteile. Wir brauchen den Mut, aufeinander zuzugehen und uns ein eigenes Bild zu machen.
Welche Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Ärzten bestärken dich im Aufbau des Netzwerks?
Begonnen hat es während meiner Zusatzausbildung zum Hormoncoach bei Frau Dr. Krug in Frankfurt. Dort arbeiteten wir mit Homöopathen, Heilpraktikern und Ärzten fruchtbar zusammen, auf einem hohen medizinischen Level. Ich habe viele Ärzte kennengelernt, die von den Synergien angetan waren. Sie waren beeindruckt, wie sehr wir Alternativmediziner in die Tiefe gehen und welche Perspektiven sich eröffnen. Das hat mich motiviert. Sowas muss doch hier auch möglich sein!
In welchem Raum soll das Netzwerk genau entstehe?
Ich plane, zusammen mit meiner lieben Kollegin Frau Dr. Barbara Gräf, mit dem Dreiländereck Schweiz, Österreich, Deutschland.
Gibt es einen verpflichtenden medizinischen Standard im Netzwerk?
Einen medizinischen Standard und fundierte Kompetenz setzen wir voraus und diskutieren Details gerade im Gründerteam. Eine längere Tätigkeit im medizinischen Sektor ist eine wichtige Basis. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass jemand es wirklich schafft, innerhalb von ein paar Jahren Anatomie, Physiologie und Pharmakologie so zu verinnerlichen, dass verantwortungsbewusst behandelt werden kann. Ein weiterer Punkt, bei dem wir zweimal hinschauen, ist ein zu großes Therapieangebot. Meiner Erfahrung nach kann man ein bis zwei Therapien wirklich in der Tiefe beherrschen, sie gegebenenfalls ergänzen. Aber eine Liste von zehn Therapiemethoden am Eingangsschild stimmt mich skeptisch. Gewachsene Erfahrung und fundierter Fokus sind wichtige Qualitätskriterien.
Was mache ich, wenn ich mich weiter über dieses Netzwerk informieren möchte?
Langfristig wird es auf dieser Seite immer mehr Informationen geben. Ansonsten gilt: Gerne einfach Kontakt aufnehmen – per E-Mail oder Telefon!
Das Interview führte Anja-Katharina Riesterer.